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Volkmar Wirth 

 

 

In den Tiefen des Alltags


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09.02.2024

NOTFALL

Ich liege im Vorraum zur Hölle. Quatsch, ich liege in einer winzigen Koje der Notaufnahme. Mein linkes Bein schmerzt. Früher hätte ich gesagt, mein Bein wächst. Ein Wachstum, was sich mit einem Ziehen und Stechen bemerkbar macht. Aber heute? Wenn alles grau wird, ausfällt oder schrumpft, warum meldet sich dann mein Bein? Hat es etwa genug? Hat es keine Lust mehr?
Genau das wollte ich abklären.
Mein Hausarzt, der seine Praxis vor der Stadt hat, ließ mir gar nicht erst die Zeit, die Hose fallen zu lassen. „Das sieht nicht gut aus!“, entschied er und schickte mich weiter.
Nach einem Schläfchen auf der unbequemen Liege in jener Koje gesellt sich eine Ärztin zu mir. Sie zeigt auf mein entblößtes Bein und fragt: „Wie lange haben Sie das schon?“
Ich stutze nur kurz und antworte wahrheitsgemäß: „Im Dezember wurden es dreiundsechzig Jahre.“
„Und da kommen Sie erst jetzt zu uns?“, faucht die Ärztin und sucht das Weite.
Seitdem liege ich, erfreue mich meines Daseins und hoffe, dass sich einer der Götter in Weiß meiner erinnert.



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